Was bedeutet „Vermisstenfall“?

Ein Vermisstenfall liegt vor, wenn

der Aufenthaltsort einer Person unbekannt ist und

eine Gefahr für Leib, Leben, nicht ausgeschlossen werden kann.


Das ist ein polizeilicher Arbeitsbegriff. Er ist keine Aussage darüber, ob eine Straftat vorliegt – viele Vermisste tauchen freiwillig und wohlbehalten wieder auf.

Wichtige Grundsätze 

Keine 24-Stunden-Regel: Man darf und soll eine Person sofort als vermisst melden, wenn eine Gefahr denkbar ist (z. B. Kind, medizinische Risiken, suizidale Hinweise, Nacht/Kälte, ungewöhnliches Verhalten).

Erwachsene dürfen verschwinden: Volljährige dürfen ihren Aufenthaltsort wechseln und den Kontakt abbrechen. Die Polizei sucht trotzdem, wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. Wird die Person gefunden und will keinen Kontakt, respektiert die Polizei das.

Öffentlichkeitsfahndung ist Ausnahme: Fotos/Name werden nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen veröffentlicht. Angehörige dürfen privat posten, sollten aber Zurückhaltung wahren (Datenschutz, spätere Löschung, Ratschläge der Polizei beachten).


Wer gilt als besonders schutzbedürftig?

Kinder/Jugendliche

Senior:innen (z. B. Demenz)

Personen mit akuten Erkrankungen, psychischen Krisen oder Suizidrisiko

Menschen in ungewöhnlichen Gefahrensituationen (z. B. in der Nacht, Kälte/Hitze, in Wald/Gebirge, nahe Gewässern)


So läuft ein Vermisstenfall typischerweise ab

1. Meldung bei der Polizei (Notruf 110 oder nächste Wache). Es ist keine „Strafanzeige“, sondern eine Vermisstenmeldung.


2. Erstbewertung / Sofortmaßnahmen: Einschätzung der Gefährdung, Absuche des Nahbereichs, Kontaktkette (Freunde, Familie, Arbeitgeber, Klinikabfragen), Sichtung letzter Bewegungen/Kommunikation.


3. Fahndungsmaßnahmen: Eintrag in polizeiliche Systeme (national; ggf. Schengen-Raum), Streifenfahndung, Absuche mit Hunden/Drohnen/Hubschrauber, Gewässer- und Gelände­suchen, Videoauswertung, ÖPNV-/Hotel-/Taxi-Hinweise.


4. Telekommunikations-/IT-Spuren: Bei akuter Gefahr können rechtlich geregelte Ortungs- oder Datensicherungen erfolgen.


5. Öffentlichkeitsarbeit (falls nötig): Pressemitteilungen, Foto-Fahndung; später Löschung/Korrektur der Veröffentlichungen.


6. Fallabschluss: Person wird gefunden (lebend/tot) oder kehrt zurück; Fahndung wird beendet, Daten werden gelöscht/gesperrt. Bei Volljährigen ohne Gefährdung wird die Familie nur informiert, wenn die Person zustimmt.

 

Häufige Ursachen

Freiwilliges Fernbleiben (Konflikte, Neuanfang, Rückzugswunsch)

Orientierungslosigkeit / Demenz / Verirren

Unfall / akute Krankheit

Psychische Krise / Suizidgefahr

Straftaten 


Was Angehörige und Freund:innen sofort tun sollten

110 anrufen (in akuter Gefahr auch 112).

Aktuelle Infos bereitlegen: Foto, Kleidung am letzten Tag, besondere Merkmale, Medikamente/Diagnosen, Handy-/Social-Media-Namen, letzte Kontakte/Orte/Uhrzeiten, Wege/Orte der Person, Verkehrsmittel, Bank-/Ticket-Hinweise.

Wohnung/Umfeld sichern: Nichts aufräumen oder löschen; Notizen, Routen, Geräte unangetastet lassen.

Gezielt nachsehen: Stammpfade, Arbeits-/Schulweg, Lieblingsorte, Krankenhäuser/Arztpraxen, Fundbüros.

Kontaktliste erstellen: Wer hat die Person wann wie erreicht? Wer hat sie zuletzt gesehen?

Social Media mit Bedacht: Keine sensiblen Daten (Ausweis, Telefonnummern, Gesundheitsdetails) posten; Datum/Uhrzeit/Ort klar nennen; später wieder löschen, wenn die Person gefunden ist – idealerweise in Abstimmung mit der Polizei.


Was man vermeiden sollte

Nicht warten. Bei Verdacht auf Gefahr sofort melden.

Keine eigenmächtige Handy-/Account-Durchsuchung, die Spuren verändert – lieber Hinweise sammeln und der Polizei übergeben.

Keine Gerüchte verbreiten oder unbestätigte „Sichtungen“ teilen.

Keine gefährlichen Eigendurchsuchungen (z. B. Alleingänge in Gewässern, Lost Places).


Abgrenzungen und Sonderfälle

„Verschollenheit“ ist ein zivilrechtlicher Status (gerichtliche Feststellung nach sehr langer Abwesenheit); hat mit der sofortigen polizeilichen Suche erstmal nichts zu tun.

In Österreich hört man oft „abgängig“; in Deutschland ist „vermisst“ üblich.

Entwichene Minderjährige aus Einrichtungen werden ebenfalls als vermisst geführt; Schutz steht im Vordergrund.


Kurzcheck: Wann sofort die Polizei?

Minderjährige, Demenz, schwere Erkrankung, Suizidhinweise

Ungewöhnliche Umstände (z. B. nachts nicht nach Hause gekommen, zurückgelassene Schlüssel/Handy/Auto)

Extreme Witterung / gefährliche Umgebung

Alles, was „nicht zur Person passt“ und Sorge bereitet